Pfarrkolumne

Wo fängt der Him­mel an?

In der Kolumne vom Sep­tem­ber sucht Tobias Zehn­der mit Ihnen den Him­mel ab.

Wo fängt der Himmel an? Auf diese simple Frage gibt es durchaus unterschiedliche Antworten. Und keine davon ist simpel. Wo der Himmel beginnt, hängt auch davon ab, was wir uns unter einem Himmel vorstellen.

Manch eine sieht ein blaues Gewölbe, durchzogen von weissen Wolken und Sonnenstrahlen. So ein Mensch zeigt bei der Frage nach dem Beginn des Himmels nach oben.

Eine andere hat den Himmel direkt im Herzen und befindet sich irgendwo auf Wolke sieben. Auf die Frage nach dem Himmelsanfang zeigt sie nur auf den Menschen neben sich.

Aber wo der Himmel genau beginnt, kann nun keine der beiden sagen. Während der Himmel im zweiten Fall mehr ein überbordendes Gefühl ist, das irgendwann auftaucht und hoffentlich endlos bleibt, ist er im ersten Fall bloss eine optische Täuschung.

Das Zelt über uns ist nichts anderes als der leere Raum zwischen Erde und Weltraum. Dass dieser Raum oft blau erscheint, hat mit dem Sonnenlicht zu tun. Dieses wird beim Eintritt in die Atmosphäre in die Regenbogenfarben aufgeteilt. Und blau als stärkste Farbe setzt sich durch. Was wir sehen, ist eine Illusion – eine falsche Wahrnehmung der Wirklichkeit.

Und doch hat diese Wahrnehmung eine unheimliche Macht über uns. Die Gallier hatten dermassen Angst vor dem Himmel, dass sie bei schweren Unwettern meinten, das Gewölbe krache donnernd auf sie nieder. Für sie war der Himmel sehr, sehr echt. Und das hatte Einfluss auf ihre Art zu leben.

Auch bei jenen im siebten Himmel ist das nicht anders. Auch dieser Himmel ist kaum mehr als ein diffuses Gefühl. Und doch verändert er alles. Die Verliebte wird den Tag anders beginnen, den Menschen anders begegnen. Sie wird zufriedener sein, häufiger lachen und ein Auge für die schönen Dinge des Lebens haben. Ein eingebildeter Himmel kann Berge versetzen.

Und was ist mit jenem Himmel hinter dem Himmel? Was ist mit Gottes Himmel? Auch er ist auf Erden nur so real, wie wir ihn glauben. Beweisen lässt er sich nicht. Er ist nicht von dieser Welt.

Aber wenn ich morgens in einen Himmel blicke, den es nicht gibt und mich abends in einem siebten Himmel wähne, den nur ich spüren kann, dann kann ich mir gut vorstellen, dass sich irgendwo hinter dem Vorhang unserer Wirklichkeit doch Gottes ewiges Gewölbe verbirgt. Und das hat Einfluss auf meine Art, zu leben.

Nicht da, wo der Himmel ist, ist Gott – sondern da, wo Gott ist, ist der Himmel. Im Hier und Jetzt können wir etwas von diesem Himmel auf Erden erfahren, erleben und selbst auch leben. In Momenten der Freude und der Liebe, in denen wir eins sind. Dort, wo wir sein dürfen und sein lassen. Da fängt für mich der Himmel an.

Tobias Zehnder