Pfarrkolumne

Fluch(t)

In der Juni-​Kolumne wid­met sich Fran­ziska Bra­cher dem Flüchtlingssonntag.

Immer am 3. Sonntag im Juni ist Flüchtlingssonntag. Viele Menschen mögen sich nicht mehr mit diesem Thema auseinandersetzen. Besser die Migrant:innen bleiben unter sich, und noch besser sie werden möglichst bald in ein sogenanntes sicheres Drittland ausgeschafft.

Weltweit sind rund 80 Millionen Menschen auf der Flucht vor Kriegen und Gewalt. Auch bittere Armut und die Folgen des Klimawandels zwingen Menschen zur Flucht und lassen sie aufbrechen in der Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen. 85% der Flüchtlinge weltweit leben in riesigen Lagern in Nachbarländern oder als intern Vertriebene im eigenen Land.

Die Situation der Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten ist eine der grössten, humanitären Katastrophen unserer Zeit. Millionen von Menschen leben unter prekären Bedingungen und sind traumatisiert. Es fehlt ihnen an Perspektiven. Sie leben in Angst und Not und sind Leuten, die sie ausbeuten und ihre Rechte missachten, hilflos ausgeliefert. Skrupellose Schlepper verdienen das grosse Geld, während immer wieder Geflüchtete auf dem Landweg nach Europa umkommen oder im Meer ertrinken.

Ich bin überzeugt, dass sich niemand freiwillig auf die Flucht aus der Heimat begibt. Für die meisten wird die Flucht zum Fluch, welcher ihr künftiges Leben überschattet.

In der Bibel finden wir viele Menschen, die ihr Land verlassen: Im ersten Testament z.B. Noah, Abraham, Hagar, Jakob, Josef, Mose, Naemi und ihre Familie, Ruth, David und im zweiten Testament Maria und Josef mit ihrem neugeborenen Sohn Jesus.

Im vorletzten Jahrhundert emigrierten zahlreiche Schweizer nach Russland, Deutschland und Übersee, weil sie dort Arbeit als Käser, Melker und Siedler fanden. Sie waren alle Wirtschaftsflüchtlinge, da sie in ihren kinderreichen Herkunftsfamilien kein gutes Auskommen hatten. Sie waren keineswegs an Leib und Leben bedroht.

Obwohl die meisten heute in der Schweiz ein sicheres Leben führen können, befinden wir uns manchmal im übertragenen Sinn auf der Flucht. Nicht wenige flüchten sich in ihre Arbeit.

Wovor flüchten wir?
Welche Ausflüchte brauchen wir?
Flüchten wir ab und an auch vor uns selbst?

Franziska Bracher